Das Handwerk packt zu

Bericht aus der Neuen Westfälischen vom 25./26.04.2020: Harsewinkler Handwerksbetriebe im Interview.

Von den ersten Erleichterungen beim Corona-Schutz profitieren vor allem die Handwerksbetriebe. Eine Sparte arbeitet in der Krise ohnehin fast unbeschadet über den Dingen.

Harsewinkel. Welche Geschäfte haben geschlossen, welche Handwerker und Dienstleister arbeiten und sind sogar auf Aufträge angewiesen? Die Regelungen zu Zeiten von Corona sind nicht immer für alle leicht zu überblicken.
Nach der Öffnung von Geschäften und Autohäusern ziehen beim Gebäudereinigungsunternehmen Kottmeyer die Arbeiten wieder an. „Wir haben jetzt wieder gut zu tun“, sagt Jörg Kottmeyer, der den Betrieb zusammen mit seinem Bruder Sven führt.
Als die Corona-Krise begann, habe das Unternehmen dies schnell zu spüren bekommen. Weil Autohäuser, Einzelhändler und Kindergärten schlossen, gab es nichts zu putzen. „Die Industriereinigung ist weitgehend weitergelaufen“, sagt Kottmeyer. Von den Schulschließungen sei sein Unternehmen nicht betroffen. Dieses Feld habe er vor einigen Jahren aufgrund des Preisdrucks bewusst verlassen. „Wir sind breit aufgestellt“, sieht Kottmeyer einen Vorteil seines Betriebs.
Inzwischen läuft die Reinigung von Autohäusern und Kitas wieder an. Ihn wundert allerdings die geringe Nachfrage nach Desinfizierungen, die der Betrieb ebenfalls anbietet und die eigentlich besonders nachgefragt sein müssten. „Viele versuchen wohl, sich selbst zu helfen“, vermutet der Harsewinkeler. Mit falschen Produkten auf empfindlichen Materialien könne man da allerdings viel falsch machen und außerdem Haut und Hände schädigen, wenn ohne Handschuhe gearbeitet werde.
Gefreut hat ihn die Solidarität in den letzten Wochen. „Einige Kunden haben besonders schnell gezahlt und dabei an meine Beschäftigten gedacht“, erzählt Jörg Kottmeyer. Weil die Firma auch zahlreiche geringfügig Beschäftigte hat, fielen diese beim Kurzarbeitergeld durchs Raster. „Wir waren gefordert, Lösungen zu finden“. Zum Teil haben diese Mitarbeiter ihre Tätigkeit inzwischen wieder aufgenommen, aber nicht alle. „Ich kann keine Büroreiniger für die Fassadenreinigung einsetzen“, sagt Kottmeyer. Für einige Festangestellte hatte er Kurzarbeit angemeldet.
Mund- und Nasenschutz hat die Firma allen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Einen Zwang, diese zu nutzen, gibt es nur im Kundenverkehr. Vielfach werde nach Geschäftsschluss gereinigt, da sei er als Dienstleister ohnehin oft allein in einem Objekt.

Stau bei den TÜV-Prüfungen

Mit den Einschränkungen des öffentlichen Lebens war es bei Kfz-Meister Rüdiger Kelm merklich ruhiger geworden. Die Werkstatt am Westfalendammließ sich nicht mehr auslasten. Wer seinen Wagen zur Reparatur gab, bekam sofort einen Termin und konnte meist keine 24 Stunden später sein Fahrzeug wieder abholen.
Irgendwann reichte es nicht mehr. Rüdiger Kelm blieb nichts anderes übrig, als Kurzarbeit für seine fünf Mitarbeiter anzumelden. „Wir haben dann die Werkstatt am Donnerstag, Freitag und Samstag geschlossen“, erklärt er. Warum die Kunden ausblieben, sei kaum nachvollziehbar gewesen. „Viele sind nicht mehr viel Auto gefahren, waren im Home-Office oder eben in Kurzarbeit“, vermutet er.
Dabei seien die Fahrer an einem besonders neuralgischen Punkt in der Pflicht zu handeln, egal, ob sie ihr Auto derzeit bewegen oder nicht. „Wir haben mehr als 200 Vorführungen beim TÜV offen“, sagt Kelm. „Die Polizei drückt derzeit ein Auge zu, wenn die Frist überschritten ist. Aber die Dekra nimmt sofort 20 Prozent Aufschlag.“ Bei den Prüfern gebe es keine Gnade.
Seit gut einer Woche verbessert sich seine Lage. Am Montag war der Hof wieder voll, sein Team zog bis Freitagmittag durch. „Es wird insgesamt wieder mehr gearbeitet“, sagt Kelm. Weil etwa die Firma Claas ihre Produktion wieder hochfuhr, sei auf den Straßen auch wieder mehr los.
An anderer Stelle zwickt es aber. „Wir haben zunehmend ein Ersatzteilproblem“, erklärt Kelm. Zulieferer hätten ihre Teileversorgung auf die Hälfte reduziert. Auch dort müsse die Produktion erst wieder steigen. „Normalerweise bekommen wir bis zu acht Mal am Tag Ersatzteile geliefert, jetzt nur einmal.“ Immerhin kamen so viele Aufträge rein, dass der Kfz-Meister seine Mannschaft bis Freitagmittag noch gut beschäftigen konnte. In der kommenden kurzen Woche plant er nur bis Donnerstag. „Und dann hoffe ich, dass es weitere Erleichterungen gibt.“

Keine Probleme auf den Dächern

„Wir waren nicht so stark betroffen“, sagt Dieter Berheide vom Harsewinkeler Bedachungsunternehmen. Weil der Dachdecker- und Zimmereibetrieb seine Mitarbeiter vorwiegend draußen einsetzt, sei die Abstandsregel bei der Arbeit kaum ein Thema, sondern eher bei den Fahrten zu Baustellen und Übernachtungen. Es würden mehr Fahrzeuge eingesetzt oder mitunter Masken getragen. Eine Kolonne mit Mitarbeitern auf Montage habe in einer Ferienwohnung übernachtet. Kurzarbeit gab es nicht, Kündigungen erst recht nicht, schließlich brummt die Baukonjunktur weiter. „Im Gegenteil, ich suche Mitarbeiter“, sagt Berheide. Befürchtungen hat Dieter Berheide eher für die entferntere Zukunft. „Aufträge, die in den Köpfen der Leute sind, stehen hier und da auf Abwarten“, vermutet der Firmenchef.

Schockstarre überwunden

Kirsten Wrobbel leitet mit ihrem Mann Mark den Handwerksbetrieb, ein Spezialist für hochwertige Bodenbeläge. Die Schockstarre, in der sie die Kunden noch vor ein paar Tagen vermutet hatte, als es ruhig wurde, hat sich gelöst. Die Handwerksunternehmen dürfen unter Einhaltung der Auflagen weiterarbeiten. Mundschutz tragen die Wrobbel-Mitarbeiter ohnehin, wenn sie Parkett schleifen oder Teppich und PVC kleben. Zur Baustelle fahren alle einzeln. An vielen Tagen sei eh alles im unkritischen Bereich, wenn drei Mitarbeiter an drei verschiedenen Orten arbeiten.
Die Ausstellung an der Adam-Opel-Straße hat wieder geöffnet, Material darf weiter verkauft werden, wenn bei dessen Übergabe Distanz gewahrt bleibt. „Es hat sich normalisiert“, sagt Kirsten Wrobbel, die alle Bestimmungen recherchiert. „Es ist mitunter schwierig zu sehen, was man darf und was nicht.“

Text: Burkhard Hoeltzenbein und Robert Becker
Quelle: Zeitungsverlag Neue Westfälische GmbH & Co. KG

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